Musahiplik

Musahip (arab. Muṣāḥib), aus dem arabischen ṣḥb entlehnt, bedeutet „Freund, nahe Person“. Sinngemäß bedeutet es jedoch Beschützende, Unterstützende und Beobachtende.

Das Musahiplik beschreibt im Alevitentum den religiösen Bund zweier Männer. Hierbei handelt es sich meist um beste Freunde, die den religiösen Bund eingehen. Die beiden Männer verpflichten sich ein Lebenslang füreinander da zu sein, sich gegenseitig zu beschützen und sich um die Kinder des anderen zu kümmern. Sollten die Männer verheiratet sein, werden ihre Ehefrauen mit in den Bund einbezogen. In einigen alevitischen Regionen war das Musahiplik die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an einer Cem-Zeremonie.

Die Musahip-Partner geben ihr Wort auf ewig (Ikrâr = Versprechen auf Ewigkeit) und verpflichten sich damit ihrem Pir und ihrer Gemeinde. Die Musahip-Familien unterliegen strengen sittlichen, sozialen und religiösen Regeln und Pflichten. Für 7 Generation gilt ein striktes Eheverbot untereinander, da dies eine Art Inzest darstellt. Väter und Mütter der jeweiligen Musahip-Familien werden von den Kindern Babalik / Analik (stellvertrende/r Vater/Mutter) genannt. Die Kinder untereinander sprechen sich mit Baci / Kardes (Schwester/Bruder) an. Zwischen den Musahip – Familien existiert kein Besitz, der nicht gleichzeitig dem Musahip-Partner gehört. Hab und Gut müssen unter den Musahip gleichmäßig verteilt bleiben. Keiner darf mehr als der andere besitzen. Wirtschaftliche, familiäre und individuelle Probleme müssen gemeinsam gelöst werden. Die Musahip sind nicht nur für das Wohlergehen ihres Partners verantwortlich, sondern genauso für seine Fehler und Vergehen. Begeht jemand aus der Familie eine große Sünde wie Diebstahl, Lügen, Mord, Ehebruch, Verleumdung oder Gewalttaten, so wird die Person mit seinem Musahip von ihrem jeweiligen Pir vor der Gemeinde zur Rechenschaft gezogen. Dem Musahip-Partner wird vorgeworfen, seinem Musahip-Partner nicht versucht zu haben vom falschen Weg abzubringen bzw. unachtsam gewesen zu sein.

Alevitische Quelle

Die alevitische Quelle für das Musahiplik findet sich in den Buyruks im Kapitel „Das Gelöbnis“ (Ikrâr).

Die Verbrüderung zwischen Mohammed und Ali fand nach dem Kırklar Cemi (Cem der 40) statt. Nach dem Kırklar Cemi ging der Prophet Muhammed nach Hause. Die 40 suchten ihn kurz darauf auf und es kam zu einer Konversation. Während dieses Gesprächs forderte Mohammed die 40 auf, sich einen Weggefährten auszusuchen

Der Prophet, Friede sei mit ihm, sprach:

„Kommet und suchet nach der Wahrheit, so dass ihr in Gottes Geheimnis eingeweiht sein möget“

Daraufhin sprachen die Gefährten:

„Offenbare uns was die Wahrheit ist, auf dass wir erkennen mögen!“

Der erhabene Prophet sprach:

„Die Wahrheit ist dermaßen, es erfordert Hingabe an etwas mit dem Freund der Wahl. Zeiget Wohlwollen zu dessen Gebot“

Nun antworteten die Gefährten dem ehrenwerten Gesandten:

„Wir kamen auch zu huldigen und unser Wohlwollen zu zeigen!“

Legten sodann das Gelübde ab und verpflichteten sich.

Der Prophet Muhammed wählte Ali als seinen Bruder. Beide schlüpften in einem Gewand und gaben ihr Gelöbnis ab. Dabei sagte Muhammed zu Ali:

„Lahmike lahmi, demmike demmi, rûhike rûhi, cismike cismi. Zâhirimiz bâtınımız birdir. Ben kimin velisi isem Alî de onun velisidir!“

„Sein Körper ist mein Körper, sein Blut mein Blut, seine Seel meine Seel, sein Leib ist mein Leib. Unser Offensichtliches und Verborgenes ist eines. Wessen Herr ich bin; dessen Herr sei auch ´Alî!“

Historischer Hintergrund

Nachdem Mohammed mit seinem Gefährten Mekka Richtung Medina verlassen musste (Hidschra; 622), entstand zwischen den Einheimischen in Medina (Ansār = Helfer) und den Gefährden Mohammeds (Muhādschirūn = Auswanderer) eine Spannung. Um diese Spannung entgegen zu wirken führte Mohammed die Bruderschaft ein.

Die meisten Einwanderer ließen ihr Geld und ihr Eigentum in Mekka zurück. Die Ansar wurden durch diesen Pack verpflichtet, den Auswanderern Unterkunft und Nahrung zu bieten. Dabei wählte Mohammed Imam Ali als seinen Bruder. Über diese Verbrüderung gibt es verschiedene Überlieferungen.

Im Folgenden kommt eine sunnitische Quelle bzgl. dieser Verbrüderung

„Der Gesandte Gottes (SAWS) ging eine Bruderschaft zwischen seinen Gefährten ein und machte jeden zu einem Bruder.“ Ali Ibn Abi Talib (AS) kam, während er Tränen vergoss und sagte: „O Prophet Gottes! Du hast einen Bruderschaftspakt zwischen den Gefährten geschlossen und jeden Bruder identifiziert, aber du hast keinen Bruder für mich bestimmt! Der Gesandte Gottes (SAWS) sagte: „O Ali! „Du bist mein Bruder in dieser Welt und im Jenseits.“

Abdullah Ibn Umar (Sohn des zweiten sunnitischen Kalifen Umar)

Ebu´l Vefa el-Bağdâdî/el-Kürdî, auf den einige alevitische Ocaks ihre Abstammung zurückführen können (siehe z.B. Şeyh Dilo Belincan), hat nach einem Treffen mit dem Sufi-Meister und Tarika Bāyazīd Bistāmī, 20 seiner Schüler mit 20 Schüler von Bāyazīd Bistāmi verbrüdern (musahiplik) lassen.

Die Aleviten, Ahl-e Haqq (Yaresan), kurdischen Bajwan, Nusayrî (arabische Aleviten), Pamir-Ismailiten und die Schabaks sind heute die einzigen islamischen Glaubensgemeinschaften, die das musahiplik noch praktizieren.

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